Gesundes neues Jahr! Wie viele andere habe ich die Chance genutzt, dem Winter zu entfliehen und in die Sonne zu fliegen. Die Zeit war knapp und ich wollte keinen Tag mit Ausschlafen verschwenden. Und schon gar nicht dafür, ein Jetlag zu kurieren.
Darum habe ich ein bißchen recherchiert und bin – ganz nebenbei – auf eine schöne neue Idee gekommen!
Ein Selbstversuch
Nach einem Vortrag über „Licht und Gesundheit“, den ich in Stuttgart gehalten habe, kam eine Lichtplanerin auf mich zu und fragte mich, was man eigentlich mit Licht in Flughäfen für Transitreisende tun könnte, die nach langen Reisen an Jetlag leiden. Interessant! Da die Bauprojekte, die ich berate, immer am gleichen Ort bleiben, hatte ich mir darüber noch nicht viele Gedanken gemacht.
Natürlich kann man mit Licht bei Jetlag eine Menge erreichen: Das sogenannte „Jet Lag Disorder“ ist eine Störung unserer inneren Uhr. Der individuelle circadiane Rhythmus stimmt plötzlich nicht mehr mit dem Rhythmus der Umwelt überein. Durch diese Verwirrung kommt es zu unterschiedlichen Beschwerden.
Es gibt viele wissenschaftliche Studien zur Behandlung von „circadianer Dysrhythmie“ mittels Lichttherapie. Sie empfehlen, sich mit der richtigen Beleuchtung zur richtigen Zeit auf eine Reise vorbereiten und nach der Reise die Anpassung erleichtern.
Großartig! Es spricht also nichts dagegen, diese Forschungsergebnisse auch in Projekten umzusetzen. Bevor ich allerdings meinen Vorschlag für eine konkrete Lichtanwendung im Flughafen präsentiere, wage ich den Selbstversuch.
Mein Silvesterurlaub in Taiwan (das sind sieben Zeitzonen Unterschied) bietet sich dafür perfekt an.
Neben den Empfehlungen unterschiedlicher Wissenschaftler kenne ich auch viele Ratschläge von Freunden, wie „bloß nicht schlafen wenn Du ankommst!“ oder „soviel wie möglich schlafen!“. All diese Ratschläge sind natürlich sinnlos, wenn nicht fest steht, in welche Zeit ich eigentlich reise, welcher Rhythmus dort herrscht und was ich dort machen möchte.
Mache ich eine Dienstreise, bei der ich um 6 Uhr morgens fit sein will? Oder fliege ich in den Urlaub, wo mein Tag nie vor dem Frühstück beginnt?
Reise ich nach Osten, wo die Tage früher beginnen und auch früher enden, als an meinem Abflugsort? Oder in Richtung Westen, wo es später hell wird, als hier und viel später Nacht?
Was empfiehlt die Wissenschaft bei Jetlag?
Von Osten nach Westen zu fliegen fällt den meisten Menschen leichter. Das liegt daran, dass die meisten von uns keine Frühaufsteher sind und wir das spätere Aufstehen eigentlich ganz gern mögen. Abends können sich viele nach einer Reise in Richtung Westen dafür nur schwer wach halten.
Mit gezielten Lichtgaben am Abend können Sie Ihren Körper unterstützen, mit der neuen Situation zurecht zu kommen.
z.B. wenn Sie von Frankfurt nach New York fliegen und dort das Nachtleben genießen möchten, sollten Sie unbedingt so lange wie möglich das Tageslicht Vorort nutzen und vielleicht zusätzlich mit Kunstlicht am Abend nachhelfen.
Reisen in Richtung Osten bedeuten, dass der Körper viel früher wach sein muss, als er das eigentlich möchte. Das führt zu Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Verdauungsschwierigkeiten, Blutdruckproblemen und anderen Beschwerden.
Außerdem wird es am Zielort gefühlt auch viel zu früh dunkel. Das äußert sich in Schlaflosigkeit in der Nacht.
Helles Licht am Morgen – am besten Tageslicht – hilft, sich so schnell wie möglich an die Ortszeit anzupassen. Um den circadianen Rhythmus positiv zu beeinflussen, ist das Licht am Morgen fast wichtiger, als das Licht am Abend.
Durch das blauhaltige Tageslicht wird unsere innere Uhr „gestellt“. Blaues Licht unterdrückt die Produktion des Nachthormons Melatonin und regt die Produktion des aktivierenden Serotonins an. Der neue Tag beginnt.
Am Morgen wird auch festgelegt, wann dieser Tag für mich persönlich endet, bzw. wann ich am Abend müde werde. Wer also nachts gut schlafen möchte, muss morgens früh aufstehen und sich mit hellem klaren Tageslicht umgeben.
Beispiel: wenn ich in Taiwan früh wach sein muss, werde ich früh aufstehen müssen und ans Tageslicht gehen. Ich packe mal lieber meine Joggingschuhe ein…
Es wird empfohlen, diese einfachen Maßnahmen auch schon vor der Reise anzuwenden. Dann natürlich mit Kunstlicht. Eine gute Vorbereitung erleichtert die Gewöhnung vor Ort und spart Zeit. (Reid und Zee 2009)
Wichtig ist auch, dass die „Behandlung“ nach der Reise weitergeht. Am ersten Abend ist es für einen Reisenden, der in den Westen geflogen ist, wichtig, auf kurzwelliges, warmes Licht zu achten. Der Körper soll verstehen, dass das Licht, was ihm jetzt geboten wird, kein Tageslicht ist und sich bereit für die Nacht machen. Wer in den Osten gereist ist, muss sich morgens viel kühlem Licht aussetzen. (Krause und Stange 2012)
Wie simuliere ich Tageslicht?
Um zuhause den Tageslicht-Rhythmus des Reiselandes zu simulieren, eignen sich normale Leuchten mit einstellbarer Farbtemperatur besser, als Lichttherapie-Geräte.
Lichttherapie-Geräte für die Heimanwendung sind relativ klein. Für die Lichttherapie ist es wichtig, dass das für die Behandlung notwendige Licht das gesamte Sehfeld einnimmt.
Unter freiem Himmel zum Beispiel, erreicht uns das helle Tageslicht von allen Seiten. Genauso ist es auch in einer Lichttherapie-Kabine. Der Vorteil hierbei ist, dass viel Licht über eine große Fläche projiziert werden kann. Auf diese Weise blendet es nicht.
Die kleineren Lichttherapie-Geräte müssen die relativ großen Lichtleistungen über kleine Flächen liefern. Einige Probanden solcher kleinflächigen Geräte klagten nach ihrer Behandlung über Kopfschmerzen. Die leuchtende Fläche ist oft viel heller, als ihre Umgebung. Der Kontrast ist für das Auge und das Gehirn sehr anstrengend und kann Schmerzen auslösen.
Normale Leuchten sind dafür ausgelegt, ganze Räume zu beleuchten. Bei ausreichend hohen Beleuchtungsstärken, ist es also vernünftig, das Zimmer, in dem Sie sich befinden, zur Lichttherapie-Kabine umfunktionieren.

Hinflug: West nach Ost
Da ich in Taiwan Freunde besuchen und Silvester feiern werde, will ich mich nicht ganz auf Taipeh-Zeit umstellen. Ich werde sowieso selten bei Sonnenaufgang wach sein. Acht Stunden Nachtschlaf muss ich aber trotzdem einplanen.
Auf dem Hinflug wird das Problem nur sein, dass ich am Tag meiner Ankunft gleich Silvester feiern möchte. Dafür möchte ich natürlich ausgeschlafen sein. Mit einem Umsteigen nachts um 12 (7 Uhr morgens Ortszeit) ist das natürlich schwierig. Bei Flügen von West nach Ost ist aber nur das Einschlafen am Abend schwierig und das will ich ja dann sowieso nicht!
Der Rückflug von Osten nach Westen ist die größere Herausforderung an meinen Organismus. Schließlich möchte ich relativ schnell nach der Landung arbeitsfählig sein und nicht erst noch drei Tage lang mein Jetlag kurieren. Ein Plan muss her!
Bewaffnet mit Sonnenbrille und Tageslichtleuchte wage ich das Experiment!
Um zu wissen, wann ich Licht meiden und wann ich mich Licht gezielt aussetzen muss, habe ich mir einen Plan gemacht.
Falls Sie das verwirrend finden, keine Sorge! Dafür gibt’s eine App. Sie heißt „Entrain„, entwickelt von der Uni Michigan. Entrain verwendet Mathematik und Algorithmen, um dazu beizutragen, Jetlag durch mobile Tracking zu verringern.
Es fühlte sich etwas extravagant an, im Flugzeug Sonnenbrille zu tragen und auch im Flughafen (7 Uhr morgens bei -7°C Außentemperatur), aber es war ja für den guten Zweck: ein gelungener Silvesterurlaub ohne Jetlag!
Aus Sicherheitsgründen ist es nicht überall im Flughafen möglich, eine Sonnenbrille zu tragen. Für’s Flugzeug war es aber eine gute Lösung. Besonders das Board-WC hatte sehr grelle Lichter, die mir einen Strich durch meinen Plan hätten machen können. Alternativ funktionieren auch Schlafmasken sehr gut im Flugzeug.
Rückflug: Ost nach West, Taipeh – München (via Shanghai)
Am Tag meiner Abreise bin ich spät aufgestanden und habe mit der Vorbereitung auf den Tag-Nacht-Rhythmus in München begonnen. Als es in München Morgen wurde regnete es in Taipeh. Beim Kofferpacken strahlten alle Lichter im Zimmer zu meiner Unterstützung. Es war taghell.

Beim Rückflug hatte ich einen Zwischenstopp von viereinhalb Stunden in Shanghai. Dort hätte ich mir eine „Sonnen-Box“ gewünscht: Einen Raum, in dem klares helles Licht mich auf Situation an meinem Zielort vorbereitet.
Entgegen meiner inneren Zeit von 14 Uhr nachmittags war es dort schon 21 Uhr abends. Alle Geschäfte und Restaurants im Flughafen wurden schon ruhiger, draußen war es dunkel und die Menschen bereiteten sich auf ihren Feierabend und eine ruhige Nacht vor.
Mein Ziel war es aber, wach zu sein und einen Tag zu haben. Nach einem leichten ‚Mittagessen‘ im hellsten Restaurant, das ich finden konnte, erkundete ich den Flughafen. Ich brauchte Bewegung; immer auf der Suche nach hellen Lichtquellen, in die ich eine Weile lang schauen konnte.

Dieses helle Licht sollte dafür sorgen, dass ich erst später müde werden und einschlafen würde.
Und so kam ich auf eine Idee:
Die Jetlag Lounge
Tadaa!
Internationale Luftfahrt-Drehkreuze wie Shanghai sind nicht in erster Linie Reiseziele, sondern dienen als Verkehrsknotenpunkt. Menschen verbringen hier – wie ich – etwas Zeit, bevor es auf die nächste Reise geht.
Frankfurt Airport, London Heathrow, Paris Charles de Gaulle, Amsterdam Schiphol, Hong Kong International oder Beijing International sind Umsteigepunkte für lange Flugreisen und somit Teil des Problems „Jetlag“.
Mit einem an die Lichttherapie angelehnten Raumkonzept kann man Fluggästen den Aufenthalt angenehmer und gestalten, die gesamte Reisezeit nutzbarer machen und die Folgen von Jetlag mindern.
zum Beispiel so: (nur hübscher, bitte!)

Sinnvoll nach Zeitzonen aufgeteilte Räume, jeweils drei Zeitzonen pro Raum.
Das Licht in diesen Räumen ist dem Licht in den Ziel-Zeitzonen angepasst und wird kontinuierlich geregelt von 6500K, (also tageslicht-ähnliches Licht) am frühen Morgen, über 5000K am hellen Tag, bis zu einem sanften Verlauf auf warmes Licht für Abendstimmungen (2700K).
Da Jetlag für die meisten Menschen erst ab Reisen über mehr als drei Zeitzonen auftritt, wird für die lokale Zeitzone und die angrenzenden Zeitzonen (+1, +2, -1 und -2) kein Raum benötigt. Umsteigende, die in eine Zielregion innerhalb dieser fünf Zeitzonen fliegen, können das natürliche Tageslicht am Flughafen nutzen, falls das möglich ist.
z.B. gäbe es in Frankfurt (UTC+1) 6 Räume, in denen man sich und seinen Körper auf alle Zeitzonen vorbereiten kann, die nicht auf den gleichen Breitengraden wie Europa liegen.
Im Optimalfall versorgt die Jet Lag Lounge den Reisenden nicht nur mit dem richtigen Licht, sondern auch mit ausreichend Getränken, Mahlzeiten zu den Uhrzeiten der Zielregion und Informationen, die den Umgewöhnung erleichtern.
Auch denkbar ist eine einfachere Version der Jetlag Lounge, die nur aus zwei Kabinen besteht: eine für „Tag“ und eine für „Nacht“. Durch stündliche Durchsagen werden die Reisenden informiert, Besucher welcher Zeitzonen jetzt genug für ihren circadianen Rhythmus getan haben und die Lounge verlassen, bzw. die Kabinen wechseln sollten.
Diese Lösung hat den Vorteil, dass sie räumlich weniger aufwändig ist und ohne eine dynamische Lichtsteuerung auskommt.
Dass Nutzer der Lounge „umziehen“ und gegebenenfalls ihre Arbeit unterbrechen müssen ist wenig kundenfreundlich und ein klarer Nachteil.
Reisestress
Nicht vergessen: Flugreisen finden in einer anstrengenden Umgebung mit künstlichem Tag- / Nachtrhythmus statt. Das allein macht schon müde. Für ausreichend Schlaf müssen wir also immer sorgen, ob unser eigener Tag-Nacht-Rhythmus gestört wird, oder nicht.
Der Unterschied ist, dass man sich vom Reisestress nur ausruhen muss, während ein Zeitzonenkater trotz aller Ruhe gern ein paar Tage bleibt.
Über die gesundheitliche Folgen des Jet-lag bei Flugpersonal oder Vielreisenden gibt es nur wenig Untersuchungen. Von Schichtarbeitern weiß man, dass die Belastung durch den ständigen Rhythmuswechsel gesundheitliche Auswirkungen hat.
Mir hat die Reise gut getan: Das frühe Aufstehen für die Arbeit fällt nach dem Flug leicht. Ich versorge mich morgens gleich mit viel Tageslicht (unterstützt durch eine biodynamisch gesteuerte slett Leuchte). Abends benutze ich ausschließlich warm-weißes Licht und werde zur gewohnten Zeit müde. Tagsüber bin ich wach, leistungsfähig und ganz schön gut gelaunt. Aber das kann am schönen Urlaub liegen.
Ihre Fragen, Anregungen und Ideen erreichen mich am besten per eMail.
Literatur:
Krause, Rolfdieter; Stange, Rainer (Hg.) (2012): Lichttherapie. Berlin: Springer.
Reid, K.; Zee, PC (2009): Circadian Rhythm Disorders. Semin. Neurol. 29
www.dlr.de – Institut für Luft und Raumfahrtmedizin
Temporal integration of light flashes by the human circadian system, Raymond P. Najjar and Jamie M. Zeitzer